Häufige Fragen zu Sucht am Arbeitsplatz

  • Hilfe bei Sucht

Im Büro riecht's schon mittags nach Bier? Was Sie tun können, wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Arbeitskollege ein Suchtproblem hat, erklärt René Grotzeck von der Fachstelle für Sucht der Diakonie in Friesland-Wilhelmshaven.

Eine Fahne ist bei Alkoholikern ein Hinweis, aber bei geübten Trinkern riecht man die nicht. Weitere Symptome sind: Die Betroffenen werden unzuverlässig, sind unkonzentrierter als früher, mögen keine Verantwortung übernehmen. Die Leistung wird schwächer. Sie kommen häufig zu spät zur Arbeit oder melden sich vermehrt krank, ziehen sich zurück, sind nicht mehr so kommunikativ. Die Persönlichkeit verändert sich – dies ist zum Beispiel bei einer Medikamentensucht oft auch der einzige Hinweis. Um das zu bemerken, muss man sensibel sein.

Die wichtigste Regel ist: Das Problem ansprechen. Den Mund zu halten und wegzuschauen ist zynisch. Damit lässt man zu, dass die betroffene Person immer tiefer in die Sucht rutscht. Wer offen darüber spricht, zeigt: Ich habe Interesse an Dir.

Ich rate davon ab, zu bewerten und zu sagen: Ich habe den Eindruck, Du bist ein Alkoholiker! Das führt nur zu Abwehr. Besser ist es mitzuteilen, was man wahrnimmt: Ich rieche öfter eine Fahne an Dir, Du bist so ganz anders geworden. Was ist los? Ich mache mir Sorgen um dich - das löst vielleicht zuerst Empörung aus. Aber dann - hoffentlich - ein Nachdenken.

Viele denken, dass sei eine Art von Denunziation. Aber das ist es nicht. Schon aus Gründen der Unfallverhütung bin ich als Kollege gesetzlich verpflichtet, meinem Chef einen Verdacht mitzuteilen. Ob der Kollege ein Sicherheitsrisiko ist und nach Hause geschickt werden muss, muss dann der Vorgesetzte entscheiden. Und wenn es der Vorgesetzte selbst ist, von dem man glaubt, dass er ein Suchtproblem hat, sollte man sich an den Betriebsrat wenden. Ein persönliches Ansprechen funktioniert in dem Fall nicht.

Sprechen Sie das Problem immer wieder an. Versuchen, denjenigen dazu zubringen etwas zu ändern. Ihn oder sie in eine Suchtberatung schicken. Immer mit dem Hinweis: Ich mache mir Sorgen um Dich. Aber mehr kann man dann auch nicht tun. Der Betroffene hat die Verantwortung für sich selbst – niemand sonst.

Mit dem Abschluss einer Rehabilitation ist ein Suchtkranker voll arbeitsfähig. Er braucht keine Schonfrist – aber auch nicht die Einladung zu einem Feierabendbier. Am besten ist, wenn beide Seiten offen mit dem Thema umgehen: der Erkrankte und die Arbeitskollegen. Die Kollegen sollten Interesse zeigen und nachfragen, wie es ihm ergangen ist und was ihm jetzt hilft. Letztlich können Suchtkranke damit auch einen konstruktiven Beitrag für das Unternehmen leisten. Denn sie bringen durch ihr Beispiel vielleicht andere dazu, ihren Umgang mit Alkohol oder mit anderen Suchtmitteln zu überdenken.

Interview: Claudia Biehahn