Schwer Kranken und Trauernden Halt geben
- Hilfe bei Krankheiten
Gundula Seyfried weiß nach 15 Jahren in der Palliativpflege, wie man mit Tod und Trauer am besten umgeht.

Gundula Seyfried war 15 Jahre lang hauptberuflich in der Palliativ- und Hospizarbeit tätig
Was ist das Wichtigste im Umgang mit schwerkranken Menschen?
Gundula Seyfried: Ein wesentliches Thema ist die Kommunikation. Dabei geht es nicht nur um Worte – auch Berührungen gehören zur Kommunikation. Beispielsweise das Streicheln: Was wird als angenehm empfunden? Oder: Wie kann man auf Tränen oder einen Weinkrampf reagieren? Kommunikation bedeutet natürlich auch verstehen. Wir gehen daher Fragen auf den Grund wie: Warum ist der kranke Mensch so abweisend, undankbar oder zornig? Zudem sprechen wir über das Gewissen: Viele Menschen, die einen schwerkranken Menschen pflegen, plagen Gewissensbisse, weil sie beispielsweise das Gefühl haben, nicht genug Zeit mit ihm zu verbringen. Und auch Menschen, die in ihrem Umfeld Trauernde erleben und diese aus Unsicherheit meiden, haben oft ein schlechtes Gewissen. Wer einen schwerkranken Menschen pflegt, braucht Antworten auf Aussagen wie: “Ich habe solche Angst vor dem Sterben“ oder “Ich halte es nicht mehr aus, ich bin euch doch nur eine Last“.
Warum sind viele Menschen so unsicher im Umgang mit Tod und Trauer?
Seyfried: Auf der einen Seite fürchten viele, etwas Falsches zu sagen, also Trauernden durch Äußerungen noch mehr Schmerzen zuzufügen. Oder sie fürchten, dass ihre Hilfe abgelehnt wird. Auf der anderen Seite wird vielen bewusst, dass sie selbst Angst vor dem Sterben haben. Doch wer sich damit auseinandersetzt, lernt, keinen Bogen mehr um Trauernde zu machen, sondern sich auf Begegnungen einzulassen. Für viele ist es eine wichtige Erkenntnis, dass oft gar keine Worte für Trost gebraucht werden – Gesten wie Umarmungen sind für Betroffene oftmals wertvoll.
Pflegekräfte oder pflegende Angehörige sind permanent dem Thema Tod ausgesetzt – wie wirkt sich das auf sie aus?
Seyfried: Auf Menschen, die sich tagtäglich mit dem Tod auseinandersetzen, wirkt sich das ganz unterschiedlich aus. Ich kann hier nur von mir sprechen: Auch wenn es vielleicht etwas befremdlich klingt, die Hospizarbeit hat mein Leben ungemein bereichert. Ich bin nachdenklicher und auch ein Stück reicher geworden. Gerade dadurch, dass ich die Leidsituationen mit den Menschen zusammen durchlebt habe, urteile – und insbesondere verurteile – ich Menschen nicht. Anderen Menschen Hilfestellungen zu geben und Mitgefühl zu zeigen, hat mich verändert. Alles in allem muss jeder für sich selbst entscheiden, wie lange er oder sie ständig mit dem Thema Tod umgehen kann – und eventuell das berufliche Leben nach einiger Zeit nochmal verändern.
Interview: Diakonie/Melanie Zurwonne