"Realität statt Bilderbuchgeburt"

22. Januar 2015
  • Schwangerschaft und Geburt

Ein Plakat aus der Diakonie-Kampagne "In der Nächsten Nähe" zeigt die Hebamme Patricia Meckenstock mit einer Mutter und ihrem Säugling. Es wurde kontrovers diskutiert. Wir sprachen darüber mit Frau Meckenstock.

Der erste Blick nach der Geburt

Sie sind auf dem Plakat mit einer Mutter und ihrem Säugling  zu sehen. War das direkt nach der Geburt?

Patricia Meckenstock: Ja, der Fotograf hat diesen sehr emotionalen Moment direkt danach eingefangen. Man sieht sogar bei der Mutter eine Träne kullern. Es war Realität und keine sogenannte Bilderbuchgeburt. Die Frau bekam ihr erstes Baby und hatte eine sehr lange und anstrengende Geburt.

Dieses Plakat wird in den Sozialen Medien kontrovers diskutiert - besonders das blutige Köpfchen des Säuglings. Ist das Bild zu heftig?

Meckenstock: Wie gesagt, das war direkt nach der Geburt  - und Kinder kommen eben nicht mit gewaschenen Köpfen zur Welt. Uns war es wichtig, die Emotionen einzufangen. Wenn wir das Köpfchen noch abgewaschen hätten, dann wäre das nicht so emotional gewesen. Ein Bild im Hochglanzstil würde auch eine völlig falsche Vorstellung von der Geburt widergeben. Die Emotionen sind groß, gebären ist oft Schwerstarbeit, die sich aber auch lohnt.

Auch fachlich wurde das Plakat diskutiert…

Meckenstock: Ja, gerade unter Hebammen. Auf dem Plakat sieht  es so aus, als wäre eine sogenannte Saugglocke gemacht worden. Das war nicht der Fall. Kritik gab es auch daran, dass die Frau mit einem OP-Hemd abgelichtet wurde. Das Hemd haben wir bewusst übergezogen. Normalerweise haben die Frauen bei uns einen nackten Oberkörper, damit das Kind besser in den Hautkontakt kommt. Aber das wollten wir wegen der Bilder nicht. Der Fotograf hat das sehr diskret und gut gemacht. Jede Geburt ist individuell, viele Gebärende nehmen unterschiedliche Haltungen ein.

Nachdem Sie nun die Reaktionen kennen, würden Sie sich für ein solches Bild noch einmal zur Verfügung stellen?

Meckenstock: Auf jeden Fall. Ich finde es gut, wenn kontrovers diskutiert wird und ein Bild vielleicht sogar provoziert. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an. Wie zum Beispiel über die Frage, wie wir Frauen bei der Geburt begleiten wollen.

Interview: Anieke Becker

"Mein Beruf ist, Wundern auf die Welt zu helfen." Die Diakonie-Kampagne 2015 zeigt verschiedene Arbeitsbereiche der Diakonie - hier den Berufsalltag einer Hebamme.